Der Nobelpreis ist ohne Frage eine der größten, vielleicht sogar die renommierteste Auszeichnung, die ein Wissenschaftler für seine Arbeit erlangen kann. Alfred Nobel legte mit seinem Testament 1896 fest, dass der Preis denen zugeteilt werden solle, die der Menschheit im jeweils vorausgegangenen Jahr den größten Nutzen geleistet hatten. Seit nunmehr 116 Jahren wird der Nobelpreis vergeben. Sicherlich haben sich die Kriterien in dieser Zeit mehrmals geändert. Trotzdem muss es sehr eigenartig anmuten, wenn man sich den Preisträger für Medizin des Jahres 1949 näher betrachtet: António, Egas Moniz, den Begründer der sogenannten Psychochirurgie.
Wie sah diese damals so neuartige Behandlungsmethode bei psychischen Erkrankungen aus? Moniz bohrte zwei Löcher in den Schädel seiner „Patienten“ und drang mit Kanülen in die Stirnlappen des Gehirns vor. Bis zu diesem Zeitpunkt wusste man so gut wie nichts über die Funktion der einzelnen Gehirnareale. Aber Monis vertrat die These, dass die „Gemütskrankheiten“ dort ihren Ursprung hatten und kuriert werden könnten, wenn man die Nervenbahnen zerstört und das Gehirn danach neue, gesündere Verbindungen knüpfen kann.
Die Folgen dieser Operationen (Fieber, Lähmungen, Apathie, Persönlichkeitsänderungen, epileptische Anfälle, tödliche Hirnblutungen) wurden ignoriert oder als nur vorübergehende Symptome bewertet.
Obwohl er Beweise für seine Theorie schuldig blieb, fand er in dem Neurologen und Psychiater Walter Freeman mehr als einen Nachahmer. Freemann entwickelte die Methode weiter. Er verzichtete auf die Bohrlöcher in den seitlichen Schädel und drang mit einem Eispickel-ähnlichen Werkzeug über die Augenhöhle bis zum Gehirn vor, um dort Nervenbahnen zu durchtrennen.
Diese, Lobotomie genannte Operation, greift Lisa Fink in ihrem Thriller Seelenruhe auf. Sie beschreibt sehr detailliert die von Freeman entwickelten Geräte und auch die Art und Weise, wie sie angewendet wurden. Es sind fesselnde Beschreibungen und starke Bilder, die Lisa Fink mit ihrer Sprache im Kopf des Lesers erzeugt.
Doch warum ein Mediziner Lobotomien durchführt, obwohl diese Methode seit den siebziger Jahren und dem Aufkommen der Psychopharmaka nicht mehr praktiziert wird, möchte ich hier nicht verraten, um nicht die Spannung zu nehmen, die von Lisa Fink allmählich aufgebaut wird und, wie für einen Thriller normal, in einem furiosen Finale endet.
Die beiden Helden, Privatermittler Sander und Auftragsdiebin Lena, werden mir sicherlich noch in weiteren Büchern wieder begegnen, wobei ich den Charakter Lena interessanter weil tiefgründiger fand. Aber vielleicht hätte Lisa Fink den ein oder anderen Punkt in deren Lebenslauf noch nicht enthüllen sollen, um die Neugierde ihrer Leser zu erhalten.
Lediglich zum Ende des Buches geht mir alles ein wenig schnell. Wo kommt plötzlich die Reue des Täters her? Auf diese Frage fand ich leider keine Antwort und konnte ich auch nicht richtig nachvollziehen.
Mein Resümee: Interessante Handlung, sehr interessante Charaktere, gut recherchiert und das ganze kombiniert mit einem für meinen Geschmack sehr schönen Schreibstil.