Remy Eyssen: Gefährlicher Lavendel
Selten lese ich ein Buch in einem Stück, weil mich die Handlung oder die Charaktere so fesseln. Remis Eyssen hat das mit seinem Kriminalroman »Gefährlicher Lavendel« geschafft.
Hauptfigur ist der deutsche Gerichtsmediziner Leon Ritter. Nach einem schweren Schicksalsschlag hat er in Südfrankreich eine neue Heimat gefunden und lebt dort mit der Kriminalpolizistin Isabelle und deren Tochter zusammen. Nach und nach verschwinden drei Männer, sie werden gefoltert und nach ihrem Tod auf makabre Art und Weise zur Schau gestellt. Ritter fallen bei der jeweiligen Obduktion Gemeinsamkeiten bezüglich der zugefügten Wunden auf und beginnt selbst zu ermitteln. Geschickt legt Eyssen falsche Fährten, um diese am Ende glaubwürdig zu entwirren. Nur das Ende wirkt auf mich etwas hollywoodlastig und übertrieben.
Natürlich interessieren mich die medizinische Aspekte besonders, die Eyssen sehr gut recherchiert hat. Ritter zieht aus seinen Beobachtungen bei der Leichenschau, den beigefügten Wunden und Laborwerten die richtigen Schlüsse. Auch seine Beschreibungen bezüglich Blutspuren und Insektenbefall von Leichen sind nachvollziehbar, logisch und vor allem für Laien verständlich beschrieben.
Nur einen Punkt gibt es, der leider immer wieder auftaucht:
Im Fernsehen ruft jemand »Herzstillstand«. Das Notfallteam kommt gerannt, jemand legt dem Patienten, dessen EKG eine Nulllinie zeigt, Elektroden auf die Brust, der Körper bäumt sich auf und – welch Wunder – der Patient überlebt. Dramaturgisch sehr wirkungsvoll, aber leider nicht ganz realistisch:
Bei einem Herzstillstand (Nulllinie oder auch Asystolie) geht von dem Herzen keine elektrische Aktivität mehr aus. Die wird aber benötigt, wenn sich die Herzmuskelzellen zusammenziehen und das Herz schlagen soll. Ein Defibrillator wird nur angewendet, wenn das Herz in einem „schockbaren Rhythmus“ ist, das bedeutet, dass ein Herzkammerflimmern oder eine pulslose Kammertachykardie vorliegt. Das Herz schlägt dann so schnell, dass es sich nicht mehr mit Blut füllen kann, weil dafür die Zeit zwischen zwei Schlägen nicht ausreicht. Mit einen kurzen Stromstoß bringt man das Herz kurz zum stehen und hofft, dass es danach wieder in seinem normalen Rhythmus beginnt zu schlagen.
Wenn das Herz aber keine Aktivität mehr aufzeigt, das EKG also nur noch eine horizontale Linie zeigt, dann macht ein Defibrillator keinen Sinn.
Trotzdem: Gefährlicher Lavendel ist ein äußerst spannendes Buch. Dazu pflegt Eyssen einen sehr schönen Sprachstil und die von ihm eingeführten Charaktere sind mehr als sympathisch. Gerne würde ich mit Leon Ritter einmal über den Insektenbefall von Leichen sprechen.
Deshalb bekommt das Buch von mir eine absolute Leseempfehlung!