Götter in Weiß: Fernsehfilm vom 15. November 2017

Die ARD hat gestern Abend mit einem weiteren Medizinkrimi wieder für einen unterhaltsamen Fernsehabend gesorgt.

Ein Mädchen infiziert sich bei einer Routineoperation mit einem gefährlichen, multirestistenen Bakterium. Die Krankenhausleitung ist sich der Hygieneprobleme bewusst, vertuscht diese jedoch, indem sie jedem Patienten vorsorglich Antibiotikum verabreichen lässt, ohne Wissen der Patienten und ohne Wissen der Ärzte. Eine Krankenschwester, die gegen Geldzuwendungen und aus Angst um ihre Stelle heimlich das Medikament in eine Kochsalzinfusion gibt, ist natürlich schnell gefunden. (Was kein Wunder ist, bei dem aktuellen Tarifgehalt von Pflegepersonal). Erst als das Mädchen einen allergischen Schock auf ein Antibiotikum hin erleidet, beginnt die behandelnde Ärztin nachzuforschen, denn sie hatte das Antibiotikum nicht verordnet.

Leider hat der Film einen sehr ernsten Hintergrund. Jedes Jahr erkranken in deutschen Krankenhäusern tausende Patienten an Keim-Infektionen. Viele dieser Patienten sterben. Ein besonderes Problem sind dabei die multiresistenten Keime, die gegen nahezu jedes Antibiotikum immun sind.

Ein solcher Keim ist Acinetobacter Baumannii. Es ist noch gar nicht so lange her, als sich Anfang 2015 in Kiel dreißig Menschen mit diesem Keim angesteckt hatten. Leider gab es damals auch Todesfälle.

In Götter in Weiß hat sich eben dieser Keim in der Klimaanlage von einem der beiden Operationssäle eingenistet. Um diesen trotzdem weiter betreiben zu können und somit Einnahmen zu erzielen, greift die Krankenhausleitung also zu dem Mittel einer prophylaktischen Antibiotikagabe.

Genau hier greift der Film ein weiteres, sehr brisantes Thema auf: Der Kostendruck im Gesundheitssystem. Krankenhäuser müssen kostendeckend arbeiten. Der sich daraus ergebende Sparzwang führt dazu, dass Hygienestandards nicht eingehalten werden können. Natürlich wird auch der Personalmangel angesprochen. Pflegepersonal und Ärzte sind, auch wenn der Filmtitel sie als Götter bezeichnet, auch nur Menschen, die im Stress und unter Belastung Fehler machen können und sei es nur, indem das Händedesinfektionsmittel nicht dreißig Sekunden lang eingerieben wird.

Götter in Weiß greift also aktuelle Themen auf, liefert Informationen zu diesen und unterhält auch noch.

Zudem hat sich das Filmteam in den meisten Szenen sehr gut vorbereitet und den Klinikalltag gut dargestellt. Was mir besonders gut gefiel, war die Machart des Films. Es wurde nicht alles direkt gezeigt, viele Anspielungen und Zusammenhänge fielen wahrscheinlich nur dem aufmerksamen Zuschauer auf, wie zum Beispiel das sündhaft teure Geburtstagsgeschenk einer allein erziehenden Krankenschwester für ihren Sohn. Gerade das unterstützte die realistische Darstellung, die den Filmemachern gelungen ist.

Hoffentlich muss ich in den nächsten Monaten in keinen Operationssaal.

Nicole Le: Skrupellos Ausgeweidet


Nicole Le: Skrupellos Ausgeweidet

In ihrem Thriller «Skrupellos-Ausgeweidet» greift Nicole Le ein Thema auf, dass für Menschen in Mitteleuropa nur schwer vorstellbar ist: Illegaler Organhandel.

Kurz zur Handlung: Eine Journalistin entdeckt während einem Flug über die Sinai Wüste Leichen, denen alle Organe entnommen wurden. Es stellt sich schließlich heraus, dass ein Organ-Händler-Ring dahinter steckt, der bis in die höchsten Kreise der Kairoer High-Society reicht. Plötzlich erkrankt ihre eigene Tochter schwer und benötigt ein Spenderherz.

Wie realistisch ist ein Organhandel mit solch mafiosen Strukturen?

Es ist noch kein Jahr her, dass ägyptische Behörden nach eigenen Angaben einen großen Ring von Organhändlern aufgedeckt haben. Unter den damals Verdächtigen und Festgenommen befanden sich Universitätsprofessoren, Ärzte, Pflegepersonal und eben auch Mittelsmänner, die den Handel überhaupt erst in die Wege leiteten.
Seit Anfang dieses Jahrzehnts wurden immer wieder Fälle des Organraubs im Sinai aufgedeckt.
2013 sollen Menschenrechtsaktivisten Verstorbene gefunden haben, denen innere Organe fehlten und die nach dem Organraub wieder zugenäht worden waren. Auch die CNN Dokumentation «Death in the Desert» aus dem Jahr 2011 erzählt in ungewöhnlich drastischen Bildern von diesen illegalen Machenschaften.

Was Le beschreibt ist also leider traurige Realität. Auch die von ihr beschriebene Logistik (Operationszelte, Transportboxen, Transportwege), ohne die ein solches Vorhaben gar nicht realisierbar wäre, klingt erschreckend glaubwürdig.
Bezüglich ihres Hauptstranges hat Le gute Recherchearbeit geleistet und das Thema ist wirklich gut gewählt, um einen packenden Thriller zu schreiben.

Ich hatte den Eindruck, dass die die Autorin im weiteren Handlungsverlauf vieles dem Zufall überließ: Zufällig wird die Tochter der Journalistin genau zu dem Zeitpunkt krank, als die ersten Leichen gefunden wurden. Zufällig ist der Krankheitsverlauf gerade bei ihr äußerst schnell und zufällig stimmt ihre Blutgruppe genau mit der eines übergebliebenen Spenderherzens überein.
Diese Zufälle sind sicherlich der Dramaturgie des Buches geschuldet und Schaden ihm nicht besonders, da die Geschichte dadurch deutlich an Geschwindigkeit gewinnt.

Das Buch ist in einem sehr außergewöhnlichen Stil geschrieben. Die Situationen und die Handlungsabläufe werden größtenteils erzählt. Wahrscheinlich wäre das Buch noch emotionaler geworden, hätte Le ihre Figuren mehr agieren lassen und wäre sie an einigen Stellen noch tiefer in deren Gefühle und das Geschehen eingedrungen. Aber das ist und bleibt letztlich eine Geschmacksache und sollte jeder Leser für sich selbst entscheiden.

Dennoch ist Nicole Le’s «Skrupellos-Ausgeweidet» durchaus lesenswert, weil es einen Einblick in ein sonst von uns in Europa kaum beachtetes Thema liefert. Sinai ist schließlich weit, weit weg….