Die meisten Kriminalromane passen sich einer klassische Gattung an, wie zum Beispiel der des Whodunit oder des Thrillers.
Martin Kleens Roman «Intensivstation» ist als bitterböse Satire erfrischend anders.
Bereits die Figuren sind wunderbar überspitzt dargestellt. Dies beginnt bei dem zynischen und egoistischen Intensivmediziner Carsten Borcherts und seinem Kollegen Peter Hayen, der wiederum den ärztliche Ethos aufrecht zu erhalten versucht. Schließlich gibt es noch die unfähigen, sich um Patienten und Diagnosen streitenden Chefärzte und ein Verwaltungsdirektor, der zur persönlichen Bereicherung weder vor Krankenkassenbetrug noch vor Mord zurückschreckt.
Der Autor Martin Kleen ist selbst Arzt. Es ist deshalb nicht verwunderlich, wie präzise seine Schilderung der medizinischen Abläufe ist. Niemand könnte dies wahrscheinlich besser beschreiben als ein Mediziner selbst.
Im Kontrast zu den satirischen Inhalten greift Kleen aber auch brisante Themen auf: Einflussnahme der Geschäftsführung in medizinische Abläufe, Krankenkassenbetrug durch manipulierte Abrechnungen und letztendlich Gewinnmaximierung zu Lasten der Patienten.
Leider sind auch diese Vorgänge trotz ihrer übertriebenen Darstellung durchaus denkbar. Vielleicht ist einigen noch ein Krankenkassenskandal aus dem Jahr 2016 bekannt. Krankenkassen hatten Ärzte aufgefordert Patienten kränker einzustufen, als diese tatsächlich waren. Ein profitables Geschäft für Ärzte und Krankenkassen, die mehr Geld aus dem Gesundheitsfond erhielten. Das Abrechnungssystem ist kompliziert und intransparent. Das lädt zum Betrug ein.
Es gibt lediglich einen kleinen Handlungsstrang, den ich in der beschriebenen Weise nicht nachvollziehen kann: Ein Intensivmedizinier führt im Auftrag einer Pharmafirma eine klinische Studie durch. Er meldet diese Studie weder im Klinikum an, noch gibt es eine rechtliche Bewertung. Die Untersuchungsergebnisse erfindet er. Das erscheint mit recht unwahrscheinlich. Eine Pharmafirma könnte mit diesen Daten ziemlich wenig anfangen. Spätestens während eines Zulassungsantrages muss auch aufgezeigt werden, dass bei der Datenerhebung alle rechtlichen Vorgaben eingehalten worden sind. Deshalb wird das noch während die Studie läuft auch entsprechend kontrolliert.
Dieser Studienbetrug stellt aber nur einen kleinen Seitenstrang in Martin Kleens Buch dar und spielt keine Rolle für die weitere Handlung. Sie wird lediglich genutzt, um den Charakter dieses Arztes zu präzisieren.
Insgesamt ist Intensivstation ist ein sehr unterhaltsames Buch, gut recherchiert und praxisnah beschrieben. Deshalb von mir: klare Leseempfehlung!